Der grosse Unbekannte

Rutschi meldet Ambitionen für die EM an

Olympiasieger Steve Guerdat, Pius Schwizer oder auch Nachwuchsstar Martin Fuchs sorgen meist für die grossen Schlagzeilen der Schweizer Springreiter. Doch seit gut einem halben Jahr rückt immer mehr auch Niklaus Rutschi in den Mittelpunkt. von Michael Wehrle

Im März wird Niklaus Rutschi bereits 49 Jahre alt. So gut wie jetzt war er in seiner langjährigen Karriere noch nie. Beim CSI in Basel sorgte er am ersten Tag als Dritter bei der wichtigsten Prüfung, dem Championat von Basel, für das herausragende Ergebnis aus Schweizer Sicht. Nur um 21 Hundertstelsekunden verpasste er im Stechen auf seinem Wallach Windsor den Ehrenpreis, die von Thomas Straumann gestiftete Goldene Trommel von Basel. «Vielleicht hätte ich vor dem letzten Hindernis mit einem Galoppsprung weniger sogar gewinnen können, doch ich wollte nichts riskieren», sagt er. Zufrieden sei er trotzdem mit dem Ergebnis, das neben weiteren Punkten für die Weltrangliste auch 11 250 000 Franken Wert ist. «Das ist wohl mein wertvollstes Resultat seit dem Sieg in Gijon», erklärt er. Anfang August des vergangenen Jahres hat er in Spanien seinen bisher grössten Erfolg errungen, mit dem Sieg beim Grand-Prix des Fünfsterne-Turniers, der 60 000 Franken einbrachte.

Nur ein Toppferd
Auf Platz 132 der Welt liegt der Luzerner im Moment, damit ist er die Nummer elf der Schweiz in dieser Wertung. Für Rutschi aber gibt diese Rangliste ein verzerrtes Bild wieder. «Man muss die Resultate der Paare anschauen», betont er. Und da liege nur Guerdat mit seinem Nino des Buissonnets klar vor ihm und Windsor. «Mein Problem ist, dass ich nur ein Toppferd habe», betont er. Und er könne das Pferd ja nicht pausenlos fordern, nur um Punkte für die Weltrangliste zu sammeln. «Das Paar ist doch entscheidend, nicht die Weltrangliste», findet Rutschi. Und sagt selbstbewusst: «Ich sehe mich unter den Top 5 der Schweiz.»

Rutschi hat klare Vorstellungen von den nächsten Monaten seiner Karriere und sagt offen, überhaupt nicht typisch schweizerisch: «Meine Ziele sind zunächst die Europameisterschaft im Sommer in Aachen und dann im nächsten Jahr die Olympischen Spiele in Rio.» Grosse Worte für einen Mann, der seine bisher einzige Medaille bei Meisterschaften im Herbst als Zweiter bei den Schweizer Titelkämpfen in Sion holte. Equipenchef Andy Kistler hat Rutschi aber durchaus auf der Rechnung: «Wenn ein Reiter nur ein gutes Pferd hat, dann zählt für mich die Weltrangliste nicht in erster Linie.» Er wisse wie schwierig es dann sei, weit nach vorne zu kommen.

«Ich brauche einen Sponsor, der in mich investiert, damit es langfristig auf diesem Niveau weiter geht», sagt Rutschi. Mit Windsor habe er ein tolles Pferd, so eines bekomme ein Reiter oft nur einmal in seiner Karriere. Er hat keinen direkten Sponsor, Besitzer Florian Meier stellt ihm Windsor als Beigabe zur Verfügung, weil Rutschi der Trainer von Meiers Tochter Fiona ist. Der gelernte Metzger stammt nicht aus einer Reiterdynastie, das sei bei der Suche nach einem Sponsor auch nicht gerade von Vorteil.
Glück, ein gutes Pferd zu haben
Immerhin weiss Rutschi: «Windsor wird nie verkauft.» Der zwölfjährige Wallach sei wie sein drittes Kind neben seinen zwei Söhnen, dem 21-jährigen Marco und dem 19-jährigen Fabio. Beide reiten auch, aber nicht leistungsmässig wie der Vater, der mit 13 Jahren die Liebe zum Pferd entdeckte und die schliesslich zum Beruf machte. «Ich habe immer gekämpft, wohl jeder ehrgeizige junge Reiter träumt von den grossen Anlässen», sagt er. Und nun schaffe er es vielleicht. Dazu gehöre das Glück, ein gutes Pferd zu haben, aber das sei nicht nur Glück, sondern hänge auch mit Fleiss und Ausdauer zusammen.

(bz Basellandschaftliche Zeitung)